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Transformation braucht Mut

Transformation braucht Mut

Man stelle sich vor, man würde den Magen mit etwas Neuem, aber im Labor gut Erprobtem, ersetzen, die Hände mit den Füssen tauschen und den Kopf etwas höher stellen, damit er den Überblick behält. Nehmen wir an, dieser Umbau würde Sinn ergeben. Wie lange würde es dauern, bis sich das ganze System an die neuen Bedingungen angepasst hat? Je nach Intensität der Übungen dauere dies 6–36 Monate, sagt dazu Prof. Dr. Gerhard Roth. So lange braucht ein normal intelligenter Mensch, um sich an wesentliche neue Abläufe zu gewöhnen und um im Gehirn neue Automatismen zu etablieren. Die Hirnforschung weist nach, dass neue Muster Übung brauchen. Sporttrainer und Musiklehrer wissen das, aber Trainer und Unternehmensberater kratzen immer nur an der Oberfläche.

Was ist KATA? Vor drei Jahren hat die Geschäftsleitung der SRO beschlossen, die verschiedenen Herausforderungen der Zeit mit den Prinzipien der Toyota KATA zu stellen. Die KATA wurde von Mike Rother, einem amerikanischen Wirtschaftsforscher und Buchautor, im Jahr 2009 als Erfolg versprechendes Organisations- und Führungskonzept, insbesondere in Bezug auf die KATA (die «Übung») von neuen Denk- und Handlungsweisen, vorgestellt und auf westliche Bedürfnisse angepasst. Sein «Labor» waren der Autohersteller Toyota und zahlreiche andere Industrien weltweit.

Worum es geht. Die SRO ist eine Tochter der Schneeberger Group AG und ein international bekannter Brand im Bereich der Lineartechnologie. Die Firma produziert nach wie vor auch in der Schweiz und steht unter hohem Preisdruck gegenüber der Konkurrenz aus Asien sowie Nord- und Osteuropa. Deshalb ist es entscheidend, dass die Entwicklungs-, Planungs- und Produktionsprozesse «LEAN» sind, also auch das kooperative Miteinander möglichst störungsfrei und effektiv abläuft.

Die KATA ist im Wesentlichen eine Methode, mit der Aufgaben und Projekte in einer bestimmten Art und Weise vorzubereiten und abzuarbeiten sind, um den kontinuierlichen Verbesserungsprozess systematisch, effektiv und zweckmässig zu gestalten. Andererseits spricht man von der Coaching KATA, die den modernen Prinzipien des New Managements entsprechen. Für die Coaching KATA ist LP3-Leadership© von David Fiorucci1 im Einsatz. Im Wesentlichen geht es dabei darum, Verantwortung zu delegieren sowie Potenzial zu identifizieren und zu aktivieren. Es geht um den Blick über die Hierarchiestufen hinweg, um Feedback und Relexion sowie bedingungslose Lösungsorientierung. LP3 ist ein dreistufiges Modell für Leadership, Teamwork und Partner, das die Kohärenz sicherstellt und eine gemeinsame Sprache für die Transformation anbietet. Diese beiden Elemente geben der Transformation einen Rahmen. Letztendlich geht es um die Symbiose von Potenzial und Performance.

Die schwierigste Phase. «Am Anfang hört sich das alles einfach und logisch an – und es ergibt auch Sinn», rekapituliert Adrian Fuchser, Geschäftsführer der SRO. «Dann kommen die ersten Irritationen und man hofft, dass diese Phase möglichst bald vorbei ist.» Wenn sich wie bei SRO die Auftrags lage zusätzlich deutlich verbessert, fehlen Ressourcen, um alle Projekte neben dem Tagesgeschäft vernünftig zu bewältigen. Ein fortlaufender hoher Stresspegel setzt ein. Das ist die schmerzhafteste Phase der Transformation. Jetzt zeigt sich, ob die Systematik auch hergibt, was sie versprochen hat. Jetzt ist Menschlichkeit und Durchhaltevermögen angesagt. Denn die einen bekommen jetzt Angst, dass sie das nicht schaffen. Andere wiederum sind nicht bereit, die Mehrleistung über einen längeren Zeitraum zu erbringen. Nun ist dichte und unterstützende Präsenz der je weilig nächsten Führungsebene und wahrhaftige und transparente Kommunikation wichtiger denn je. Leider fehlt dafür scheinbar häufig die Zeit; das wird sich jedoch garantiert rächen. Deshalb ist es wichtig, die Entwicklung immer auf dem Monitor zu beobachten und zu reagieren, wenn das Boot aus dem Ruder zu laufen droht.

Wie das Gehirn reagiert. Die Waage zwischen Mut und Vernunft zu halten, ist und bleibt eine der anspruchsvollsten Aufgaben einer Firmenspitze. Unfehlbare Rezepte gibt es dafür nicht! Jedoch genau hier lauert die grösste Gefahr. Denn der Mensch funktioniert relativ einfach. Er entscheidet sich grundsätzlich für das, was sich besser anfühlt. Und was sich besser anfühlt, entscheidet wiederum das limbische System, der unbewusste Teil des Gehirns also, insbesondere das sogenannte Belohnungssystem. Folglich ist es geschäfts- und entwicklungsrelevant, wofür eine Führungskraft belohnt wird!

Statt für Umsatzzahlen sollten Manager und Mitarbeiter für Innovationen und Problembehebungen den Bonus bekommen. Das würde die Mitarbeiter ermutigen, die Dinge beim Namen zu nennen und anzupacken. Anpacken setzt voraus, dass man beobachtet, was im Unternehmen vor sich geht, hört, was die Mitarbeiter zu sagen haben, und darüber spricht, wie man mit all dem Druck umzugehen gedenkt. Hier ist Leadership gefragt, die Vertrauen fördert, die zu Offenheit anspornt, die reflektiert und selbstkritisch ist – eine Persönlichkeit, die sich hinstellen und zum Beispiel sagen kann: «Das ist uns nicht gelungen, tut mir leid. Da müssen wir noch einmal über die Bücher.»

Den Kurs halten. Bei günstigen Windverhältnissen sehen manche sich selbst als Helden, statt dem Wind zu danken. Es ist auch relativ einfach, ein Leader zu sein, wenn es windstill ist. Das fordert vor allem einen gesunden Optimismus und einen straffen Blick auf die Kosten. Wenn das Boot jedoch in einen Sturm gerät, während es gerade dabei war, einige Segel und die Reling zu ersetzen, dann kann das Boot durchaus aus dem Ruder laufen, und es rollen mehr Kisten ins kalte Nass, als man gehofft hat. Jetzt muss der Leader alle Register ziehen, damit er den Kurs halten kann. Eine klare Vision, eine möglichst hohe Präsenz vor Ort, eher eine karge, aber klare Kommunikation, Vertrauen und die Nähe zur Basis sind nun die wichtigsten Führungsinstrumente.

Kann Herr Fuchser den Kurs halten? «Ich denke schon», meint er nachdenklich. «Ich kann auf solide Strukturen bauen und auf viele loyale und tüchtige Mitarbeiter im Team zählen. Transformation ist nicht zu unterschätzen und braucht Systematik, Menschlichkeit und allem voran Durchhaltevermögen. Eine neue Haltung kann man nicht einfach übernehmen, man muss sie über einen gewissen Zeitraum entwickeln. Man kommt in Wellenbewegungen voran.»

Für Veränderungen muss man arbeiten ... Gerade bei starkem Wind ist ruhiges Blut von grösster Bedeutung. Es gehört zu diesem Prozess, dass Leute gehen und neue dazu kommen. Nur dann kann das Momentum der Transformation nachhaltig Wirkung zeigen. Transformation hat auch mit Loslassen zu tun und ist nicht die Optimierung einer bestehenden Organisation. Es wird eine neue Organisation aufgebaut, idealerweise auf dem gesunden Fundament der alten.

Mut als Führungskraft bedeutet, den Willen und die Fähigkeit zu haben, etwas zu wagen. Dieses Etwas basiert auf gut recherchierten Fakten und Annahmen. Manager-Mut bedeutet die Bereitschaft, allfällige Konsequenzen einer Entscheidung zu tragen, auch die der Fehlentscheidung. Denn wenn Annahmen im Spiel sind, sind immer auch Risiken im Spiel. Was tun? Wie Thomas von Aquin im 13. Jahrhundert schrieb: «Für Wunder muss man beten, für Veränderung aber arbeiten.»

 

Adrian Fuchser von Schnee-berger AG Lineartechnik (SRO) ist überzeugt, das nötige Durch haltevermögen für die Einführung von Toyota KATA zu haben.

 Diese Faktoren unterstützen mutiges Verhalten:

  1. Holen Sie, wenn nötig, externe Expertise, um möglichst fundierte Fakten zu generieren, aus denen Sie notwendige Annahmen ableiten können. Intuition hat nichts mit Wahrsagerei zu tun, sondern ist die Fähigkeit, viele Aspekte zusammenzuführen und als Folge daraus eine Wirkung zu erkennen, die sich bisher noch nicht manifestiert hat.
  2. Körper und Geist stärken durch z. B. mentales Training, meditative Übungen, Kraft-, Ausdauer- oder Kampfsport. Wichtig ist, dass Sie sich nicht quälen, sondern aufbauen und stärken. Das gibt Gleichgewicht und Standfestigkeit.
  3. Materielle Sicherheit gibt Ihnen etwas Zeit, auch einmal einen Umweg in Kauf zu nehmen. Oft ist die Durststrecke noch etwas länger als die Prognosen. Ein Teil Ihrer direkt Rapportierenden hat eine Tendenz, die Dinge zu rosig zu sehen. Kalkulieren Sie das ein!
  4. Erfahrung ist eine weitere wichtige Ressource. Wenn man schon einmal an diesem oder jenem Punkt war, weiss man, dass es auch wieder anders kommt. Die Welle kommt und geht und die Wellentäler sind die Phase, in denen man sich für die nächste grosse Welle sammelt und vorbereitet. Verpassen Sie die Täler, verpassen Sie auch die Schaumkronen.
  5. Ängste und Mut sind ein Geschwisterpaar und sind bei jedem Menschen anders verankert. Je nach Ausprägung sind die Ängste hinderlich oder jedoch als kontrollierende Instanz auch nützlich. Sie fordern heraus, eine Sache noch einmal zu prüfen und die potenziellen Konsequenzen aufzuführen.
  6. Denken Sie sich Szenarien aus, mit denen Sie auf das eine oder andere reagieren können. Denn wenn der Fall eintritt, dass eine Rechnung nicht aufgeht, dann ist man häufig zu blockiert, um sofort und durchdacht reagieren zu können. Haben Sie immer einen Plan B in der Tasche.